Talfahrt – Wenn Bildung nicht mehr reicht
In letzter Zeit häufen sich die Coaching-Fälle, bei denen ich das Gefühl nicht loswerde, dass da in diesem Land etwas gehörig schief läuft.
Zu mir kommen Menschen mit guter Bildung und leistungswillig und doch will ihren Beitrag niemand haben. Viele von ihnen haben nicht weniger als 150 Bewerbungen geschrieben und finden doch keine Stelle, noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch werden sie eingeladen. Schauen wir diese Menschen mal genauer an und helfen Sie mir, diese Phänomene zu verstehen.
1. Die studierte Frau mit Kindern
Sie ist 40 Jahre alt, hat Kommunikationswissenschaften studiert. Ihre jüngste Tochter ist behindert und ihr Mann, der sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlte, schon längst über alle Berge. Sie sitzt weinend in meinem Büro, denn sie droht abzustürzen – abzustürzen ins Prekariat. Sie ist nicht mehr weit davon entfernt Hartz IV beantragen zu müssen. Was diese Frau auszeichnet: Sie ist eine hervorragende Journalistin, die noch weiß, wie man recherchiert, den Dingen auf den Grund geht, sie von allen Seiten zu beleuchten. Sie hat gelernt ein Organisationstalent zu sein, sich um viele Dinge gleichzeitig zu kümmern. Durch ihre Disziplin und die Gabe „durchzuhalten“ könnte jeder Arbeitgeber froh sein, solch eine kompetente Fachkraft zu bekommen, doch Fakt ist: An Festanstellung ist nicht mehr zu denken und auch als „feste Freie“ ist es nicht leicht, Aufträge zu bekommen, denn ihre Kinder müssen betreut sein, insbesondere ihre jüngste Tochter. Man bietet ihr nur noch „Deppenjobs“ an, so als hätte sie selbst eine „Behinderung“, seit sie Mutter eines behinderten Kindes geworden ist und sich jetzt als Alleinerziehende durchs Leben schlagen müsse. Bleibt ihr denn nur noch die Discounter-Kasse, dessen Gehalt dann nur reicht, um die Fremdbetreuung ihrer Kinder zu finanzieren?
Frage: Ist dieses Land nicht in der Lage, Frauen in ihrer Aufgabe als Mutter zu stützen, zu unterstützen und wertzuschätzen und gleichzeitig diesen Frauen auch zu ermöglichen, ihrer Bildung angemesse Aufgaben zu übernehmen? Ist es Ziel dieses Landes, dass Frauen nur noch Gebärmaschinen sind, ihre Kinder sofort fremd zu betreuen haben, um sich am BSP zu beteiligen und gefälligst ohne Unterbrechung „Karriere zu machen“? Kann dieses Land tatsächlich auf die Stärken unserer „gebildeten Mütter“ verzichten?
2. Die „Alten“
Sie sind noch keine 50 Jahre alt, ohne Krankheiten oder Gebrechen und doch – auch wenn wir andere Töne der Regierung und der Wirtschaft hören, Ü45 haben es schwer! Da ist z.B. der Banker, der BWL studierte und jetzt als „Vice-President“ sich permanent bewerten lassen muss. Von Triple A bis D ist alles drin, doch kritisch wird es schon bei B und kurz darauf hat man schon seine vorläufige Kündigung auf dem Tisch. Permanentes zittern, permanenter Zwang zur Hochleistung und was am schlimmsten ist: Die Bewertung hängt nicht nur von der eigenen Leistung ab, sondern auch von der Normalverteilung. Ist AAA oder AA und A schon vergeben, so muss ja zwangsläufig jemand ein B oder ein C bekommen. Dass so ein „Alter“ viel Erfahrung mitbringt, eigentlich gelassen im Leben steht, dass so ein „Alter“ Stärken mitbringt, die ein Anfänger gar nicht haben kann, dass ein Alter in der Lage ist, sich auf´s Ganze und auf´s Wesentliche zu konzentrieren, das scheint offenbar keine Rolle zu spielen.
Ich betreue einen Banker, den man „freigestellt“ hat, weil seine „Performance“ nicht reichte. Und diese „Performance“ wurde einzig und allein an Aquise-Zahlen festgemacht, an nichts weiter! Ohne den Namen seiner Bank im Hintergrund hat sich sein „Netzwerk“ quasi pulverisiert. Seit einem Jahr sucht er einen Job und schlägt sich mit einem Call-Center-Job durch, um seine Familie zu ernähren.
Frage: Was will dieses Land künftig mit all den Rentnern, den Baby-Boomern, den Ü45 gern, die noch 30 (!) Jahre vor sich haben und etwas TUN könnten, wenn man sie nur ließe, tun? Was muss passieren, bis die Stärken der reiferen Arbeitgeber wieder etwas zählt?
3. Die „Jungen“
Ich kann mich noch gut an meine Abiturszeit erinnern. Wir Mädchen studierten bereits, oder waren im Ausland, die Jungs waren bei der Bundeswehr. 13 Schuljahre waren für uns normal. Bologna und die Unternehmer fanden, dass die dt. Diplomanden zwar gut ausgebildet, doch viel zu alt seien. Heute stehen diese Jungs, weder Fisch noch Fleisch mit 18 zwischen Abitur und Beruf, müssen nicht mehr zur Bundeswehr und schließen ihre Schulkarriere bereits nach 12 Jahren ab. Nur was soll das? Natürlich gibt es die Überflieger-Kinder mit einem Abitursschnitt von 1,0 bis 1,3; doch es gibt auch die „ganz normalen“ Jungs, die keine Lust auf Notendrill hatten und genau so wenig „reif“ sind, sich für den nächsten Schritt zu entscheiden, wie es in unserer Generation ebenfalls war. Doch man redet diesen Jungs ein, sie hätten ein Problem….Man macht ihnen Druck und lässt ihnen keine Zeit – dabei wissen wir längst, dass a.) Unternehmen diese jungen „Bachelors“ jetzt überhaupt nicht einstellen wollen und b.) krumme Lebensläufe und mittelmäßige Noten, nichts, aber auch gar nichts über die Kompetenzen dieser jungen Männer aussagt und c.) wir wissen, dass diese Generation sowieso bis 70 Jahre arbeiten MUSS. Warum gönnen wir Ihnen nicht zumindest so viel Zeit, wie unsere Generation Männer ebenfalls zur Verfügung hatte, um sich zu entwickeln, zu entdecken, was man gerne tun möchte….
Statt dessen begegnen mir in der Praxis solch junge Männer – vollkommen verunsichert, weil sie mit einer 2.6 Abitursnote nur Absagen bekommen. Viele von Ihnen halten sich mit Aufputschmitteln oben oder drohen zu resignieren. Und was sagen mir die HR-Manager: „Was sollen wir tun? Wir müssen irgendwo einen Punkt machen. Natürlich suchen wir teilweise die Eierlegende Wollmilchsau mit hervorragenden Noten, mehreren Sprachen, Auslandsaufenthalten und mehr. Natürlich wissen wir, dass die Notenbesten nicht unbedingt diejenigen sind, die auf unsere Stellen am besten passen, doch wir können nicht allein einladen. Die Flut von Bewerbungen auf die guten Stellen ist einfach zu groß.“
Frage: Wollen wir in den Firmen zukünftig nur den Einserkandidaten eine Chance geben? Wollen wir die Denker und Tiefblicker, die nach dem Sinn Frager, die kritsich Denkenden, die Kreativen, die Teamplayer, diejenigen, die sich auch für viele andere Dinge interessieren, für die es sowohl an den Schulen und den Universitäten keine Noten gibt, allesamt von vorne herein „aussortieren“? Wollen wir nur noch diejenigen fördern, die keine Ecken und Kanten mehr haben? Gerade im Land der Dichter und Denker sollten solche kritischen Fragen gestellt werden dürfen.
4. Die „Selbstständigen“
Bäckereien werden geschlossen, weil es mehr und mehr „Brotmanufakturen“ gibt. Druckereien werden geschlossen, weil der Kunde im Internet 0.01 Cent pro Blatt sparen will. Kleine Einzelhandelsgeschäfte, meist Mehrgenerationenbetriebe machen dicht, weil das Bestellen im Internet so bequem geworden ist und die Geiz ist Geil Mentalität fast keine Grenzen mehr kennt. Hebammen müssen aufgeben, weil ihr Beruf sie nicht mehr „nährt“, Coaches, Berater, Trainer merken, dass es ganz schön schwer ist, von ihrer Tätigkeit zu leben; Viele Selbsständige, wenn sie in die Jahre kommen, sehen sich durch beginnende Gesundheitskrisen in ihrer Existenz bedroht. Viele von Ihnen suchen nach vielen Jahren der Selbstständigkeit ein sicheres Standbein und – scheitern bei diesem Versuch.
Freiberufler sind mutig, sie übernehmen gerne Verantwortung, sie sind einerseits gleichzeitig Experten und müssen auch Generalisten sein. Die Wenigsten sind Einzelkämpfer, sondern auf Mitarbeit angewiesen, so dass sie auch Teamplayer sind. Freiberufler sind Arbeitstiere – sie scheuen keine 60-80 Stundenwochen und sind belastbar. Sie sind anders, als Manager gewohnt, sich auf Marktgegebenheiten einzulassen, sind flexibel und Kunden orientiert. Sie verfolgen Ziele und erreichen sie auch, sie haben Visionen und zeigen meist eine ethische und von hoher Führungskompetenz geprägte Persönlichkeit. Und – sie legen meist größten Wert auf ohne Qualität, denn die Qualität ihrer Dienstleistungen und ihrer Produkte ist das Kapital ihrer Selbstständigkeit. Sie sind keine Ja-Sager, sondern MITdenker….Doch Viele sehen sich auf sozialer Talfahrt, wenn sich die Bedingungen dieser globalisierten Welt einmal ändern. Für mich unverständlich!
Frage: Woran liegt es, dass man diesen willigen und äußerst kompetenten Menschen so wenig Stellen anbietet? Man müsste in Zeiten des Fachkräftemangels gerade solchen Menschen Teams anvertrauen, Projekte übergeben, oder Stellen anbieten, doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Viele berichten mir, dass ihnen vorgeworfen wird, sie seien ZU selbstständig? Zu selbstständig? Sollte denn nicht jeder Unternehmer Interesse an Mitarbeitern haben, die selbstständig denken können und keiner permanenten Kontrolle bedürfen? Manche hören, sie seien zu „überqualifiziert“? Moment! Gibt es das tatsächlich, dass willige Mitarbeiter, die arbeiten WOLLEN, überqualifiziert sind? Ich denke, es wäre fair zu sagen: „Sie sind uns zu teuer“, anstatt zu behaupten, dass das Mittelmaß besser sei, als eine Hochqualifizierung. Und wieder andere hören hinten herum: „Selbstständige sind unbequem. Sie denken zu viel mit, als zu tun, was man ihnen sagt.“ Will dieses Land lieber Ja-Sager, als MITdenker? Früher haben sich Feldherren explizit solche MITdenker engagiert, weil viele Augen mehr sehen, als zwei, viele Ohren mehr hören, als zwei und heute, soll das ein Defizit sein?
Wenn wir den demografischen Wandel schaffen wollen, wenn wir dieses Land mit denjenigen in die Zukunft führen wollen, die wir haben (nicht, die wir teuer einkaufen müssen), dann muss umgedacht werden und nicht zugelassen werden, dass gebildete Menschen in unserem Land auf Talfahrt gehen. Geben Sie Frauen, „Alten“, Jungen und Selbstständigen doch eine Chance. Sie bringen Fähigkeiten und Stärken mit, die jedem Unternehmen nützen könnten – wenn, ja wenn man sie denn nutzen würde!
Liebe Frauen, Alte, Jungen und Selbstständigen.
Mein Geschenk für SIE diesen Monat:
> Ich schenke Ihnen, wenn Sie das Gefühl haben, auf Talfahrt zu sein eine (R)AUSzeit im Wert von 250.- Euro
> Damit Sie wieder in Ihre Kraft kommen und Strategien entwickeln, mit diesen obigen Phänomenen besser umzugehen.
Ich freue mich auf Sie und darauf, Sie ein Stück auf Ihrem eigenen (R)AUSweg begleiten zu dürfen….
Ihre Sonja Mannhardt