Vorsicht, Versprecher

„Das sind doch alles Verbrecher!“ gibt die Klientin aufgebracht von sich. „Ach nein, ich wollte Versprecher sagen,“ korrigiert sie sich, gleich lächelnd danach. „Aber irgendwie ist das in diesem Fall ja sowieso das Gleiche.“ Sie fühlt sich getäuscht, über´s Ohr gehauen. Sie ist entsetzt darüber, wie sie sich wieder hat blenden lassen von blumigen Worten. Und dabei ging es doch um nichts Geringeres, als um Ihre eigene Gesundheit. Es wäre einfach zu schön gewesen. Es hat sich doch wieder so glaubhaft angehört. Das Lächeln des Versprechers im Gesicht eines Meister-Verkäufers war doch so freundlich und wohlwollend. Und heute? Aus dem Versprecher ist ein Verbrecher geworden und meine Klientin sagt, das wäre in diesem Fall dasselbe.

Ein  interessanter Gedanke, bei dem es lohnt, ein wenig näher hinzuschauen. Dieser Artikel handelt von Versprechern, Versprechern, Vertrauen und Vertrauens-Verbrechern.

Versprecher

Wir kennen sie alle, die Versprecher. Es handelt sich um sprachliche „Fehlleistungen“, die sich meist unwillkürlich und häufig unbemerkt in unsere Sätze einschleichen.

Entweder wird ein Wort vollständig durch ein anderes ersetzt („Gibst du mir bitte mal die Tasche“, statt „gibst du mit mal den Schlüssel“ (aus der Tasche)), oder es wird ein Wort durch ein anderes mit derselben Silbenzahl substituiert („Verbrecher“, „Versprecher“).

Es kommt zu Vertauschungen (Mein Sohn kreierte das wundervolle Wort „Laschwappen“). Auch schön die Worte „Koträppchen“ oder „Fönheitsscharm“. Legendär auch diese gewollten Versprecher, die immer wieder einen Lacher wert sind. (1) Manchmal sind Versprecher Vorwegnahmen (Reden ist Schweigen, Silber ist Gold) oder ähnliches (2).

Wir kennen diese Phänomene nicht nur beim Sprechen. Sie begegnen uns auch als VER-leser, VER-schreiber, VER-hörer, wobei die Vorsilbe VER, schon viel davon verrät, was dabei geschieht. Das VER vor einem Wort sagt so viel wie ÜBER, ein zu viel des Guten, sozusagen. Schon Goethe sagte beispielsweise zum Verhörer:  „Der Hörer aber und sein Ohr tragen gleichfalls zu gedachtem Fehler bei. Niemand hört als was er weiß, niemand vernimmt als was er empfinden, imaginieren und denken kann.“ (3) Als menschlicher Sprecher, Leser, Hörer, Seher und folglich als Versteher, oder gar Interpretierer, können wir folglich nicht aus unserer eigenen Haut heraus, sind Produkt unserer eigenen Geschichte und Wahrnehmung.

So  sind viele Versprecher folglich  harmlos und meistens einfach nur lustig aber manchmal enthalten sie einen wahren Kern. Bekannt sind sie dann unter der Bezeichnung „Freud´sche Versprecher“ (4).

Das Beispiel meiner Klientin trifft dabei den Nagel auf den Kopf. Sie wollte zwar Versprecher sagen, im Sinne von „Menschen, die ihr etwas versprechen, es aber dann doch nicht halten“ und ihr rutsche das Wort „Verbrecher“ heraus. Insgeheim hält sie diese Menschen auch dafür, doch das hätte sie freiwillig wohl nie gesagt. Kommen wir zu dieser Spezies.

Versprecher

Auch Sie begegnen uns überall und wohnen überall. Es wird das Blaue vom Himmel herab versprochen, in die Zukunft geblickt, Prognosen abgegeben. Mensch ist dagegen weder im Beruf, noch im Privatleben gefeit. Wir sehen die Versprecher überall:

  • Senkt Ihren Cholesterinspiegel
  • Schützt vor Krebs
  • Macht schlank in 10 Tagen
  • Hält Sie gesund und vital
  • Wir machen Sie fit
  • Damit können Sie punkten
  • Hiermit werden Sie beeindrucken
  • Macht sie um Jahre jünger
  • Mit unserem Produkt garantieren wir Ihnen…
  • Ja, das mache ich. Versprochen!
  • Am Wochenende klappt es bestimmt
  • Heute komme ich pünktlich nach Hause
  • Wird sofort erledigt, Chef
  • Ich leite das sofort weiter
  • Kein Problem. Das habe ich schon tausende Mal gemacht
  • Mit uns kommen Sie auf Garantie dort und dort an…
  • Die Zufriedenheit unserer Kunden steht bei uns an erster Stelle
  • Wir versprechen ihnen, dass wir die Kosten um die Hälfte senken und den Gewinn mindestens vervierfachen
  • Ihr Haus steht in 5 Monaten
  • Wir machen dieselbe Arbeit zum halben Preis

Diese Aufzählung kann beliebig fortgeführt werden. Menschen, Produkthersteller, Dienstleister sind Meister-Versprecher. Und wer es glaubt, wird meist nicht selig, sondern richtig sauer. Man bekommt langsam den Eindruck, dass die lange Nase von Pinnochio in unserer Gesellschaft langsam gesellschaftsfähig wird. „White lies“ spielen die Amerikaner diese Versprecher herunter. Wer die Wahrheit sagt, keine falschen Versprechungen abgibt, wird gerne als Naivling bezeichnet, oder verscherzt sich Sympathien, weil offenbar der Mensch lieber Versprechern Glauben schenken möchte.

Doch wozu macht Mensch das? Es scheint in den Genen zu liegen, dass Menschen zu Blendern und Versprechern werden und dass etwa 200 mal pro Tag gelogen wird. Es hebt die Stimmung, sorgt für gute Laune, der Mensch bringt sich dadurch in ein strahlendes Licht, gewinnt Sympathiepunkte und wer sich selbst Dinge verspricht (prognostiziert), lebt sogar länger. „Ich verspreche dir: In einer Woche bin ich wieder aus dem Krankenhaus raus.“  Lügen können durchaus liebevoll sein: „Schatz, in deinem Kleid sieht du einfach hinreißend aus.“ Oder „Mama, das Essen schmeckt heute nicht uninteressant.“ Oder „Kein Problem, wenn du heute die Verabredung nicht einhalten kannst. Das Andere geht vor.“ Doch Vorsicht.

Ein schmales Band

Zwischen Versprecher und Verbrecher besteht ein schmales Band. Es heißt Vertrauen. Gerne sind Menschen bereit an Versprechen zu glauben, das Gute im Menschen zu sehen, vertrauensvoll auf seine Mitmenschen zuzugehen, ihnen einen Vertrauensbonus zu geben, oder sich eine liebevoll gemeinte Lüge abzunehmen. Doch wehe, dieses Vertrauen wird immer wieder gefährdet und Versprechen nicht eingehalten. Der Tausch geschenktes Vertrauen und Versprechen funktioniert dann irgendwann nicht mehr. Der Getäuschte ist enttäuscht, es droht der Beziehungsbruch.

Und das kann sehr negative Folgen haben, nicht nur im Privatleben, sondern auch im beruflichen Kontext. Heute wissen wir, dass die Beziehungsebene (und die basiert nun mal auf Vertrauen) DER Erfolgsfaktor Nummer Eins ist. Dies sollte sowohl Führungskräfte, als auch Unternehmer, Dienstleister in besonderem Maße interessieren, denn wo das Vertrauen erst einmal zerstört ist, ist es mit der Loyalität und Bindung zunächst einmal auf nicht absehbare Zeit vorbei.

Ohne Vertrauen und ohne eingehaltene Versprechen gerät das Zwischenmenschliche Konto in Schieflage. Wie dem entgegengewirkt werden kann? Da möchte ich einen meiner Kollegen zitieren, der den Satz prägte: „Wer einen hohen Kontostand anstrebt muss mehr einzahlen, als er abhebt“ (W.Berner)

Fangen wir also bei uns selbst an. Packen wir uns an die eigene Nase, schenken wir Vertrauen und versprechen wir nur, was wir auch halten können. Ein Nein hat dann eventuell einen geringeren Preis als ein Ja, das in der Enttäuschung mündet und in den Augen eines Getäuschten, einen Versprecher zu einem Verbrecher macht.

Und wobei hilft jetzt Führungskräftecoaching? Da ich selbst ein Mensch bin, der anderen Menschen gerne sein Vertrauen schenkt; da ich folglich sehr gut weiß, wie es sich anfühlt, getäuscht worden zu sein; da ich aus zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen eine leise Ahnung davon habe, wie verbreitet die bewusste Täuschung  bereits Einzug in die Kultur vieler Unternehmen  gefunden hat und zur Selbstverständlichkeit im mitmenschlichen Miteinander geworden ist, stelle ich gerne meine Expertise sowohl denjenigen zur Seite, die morgens wieder in den Spiegel schauen  und an dieser Stelle nicht weiter zu den Versprechern gehören möchten, die „verbrannte Erde“ zurück lassen. Gerne möchte ich auch Denjenigen eine Unterstützung sein, die sich häufig in der Rolle eines Getäuschten widerfinden; Coaching hilft zu verstehen, woher das kommt, was daran positiv ist und wie es besser gelingt, sich zu schützen. Und: Last but not least, unterstützt Führungskräftecoaching Unternehmen, eine Unternehmensethik zu leben, die auf Vertrauen und Verlässlichkeit fußt und als Lohn nicht nur ein gutes, gesundes Arbeitsklima fördert, sondern auch dazu dient, loyale Mitarbeiter und Kunden zu gewinnen.

Ach übrigens: Zuverlässigkeit beginnt nicht erst am Arbeitsplatz, wie dieses kleine Gedicht einer Frau (könnte aber auch von einem Mann stammen) zeigt. Ein Einzelfall? Mag sein, dann kenne ich als Berater und Führungskräftecoach eben zahlreiche dieser Einzelfälle, als Ausnahmen von der Regel,  als Geschichten, die das Leben schreibt….. Gerne höre ich die Ihren, oder mit Ihnen in den Dialog.

Bis zum nächsten Mal, Ihre Sonja Mannhardt

Der Versprecher – Ein Gedicht

Ich find dich klasse, hast einfach Rasse
ich find dich schön, will mit dir gehen

Hätt Lust dich zum Essen einzuladen
willst lieber Fisch oder Sonntagsbraten?

Könnt mir vorstellen, dich zu besuchen
könntest mir in der Nähe ein Zimmer buchen?

Oder komm doch einfach gleich zu mir
ich zeig dir meine Welt, das versprech ich dir

Wann bist du denn hier in der Nähe
weißt du eigentlich, wie gern ich dich sähe?

Würd gern ein Wein mit dir trinken
gern in deine Augen eintauchen und versinken

Ich meine es ernst, das sage ich dir
ich sehn mich so unheimlich nach dir

Ich meine es ernst, du kannst mir vertrauen
wollen wir an einer gemeinsamen Zukunft bauen?

Morgen ruf ich dich sicher wieder an
Versprochen! Ich bin doch ein ehrlicher Mann

Du bist meine Traumfrau besser geht es nicht
alles an dir ist ein einzig Gedicht

Wie? Du willst wissen, ob auf mich ist Verlass
oder ob ich mach auf deine Kosten nur Spaß?

Natürlich bin ich ein wirklicher Versprecher
Manche nennen mich einen Verbrecher

Weil meine Worte sind stets Schall und Rauch
reine Versprecher, das versprech ich dir auch.

© S.Mannhardt 5/2012

(1)    http://de.video.search.yahoo.com/search/video?p=Kentucky+schreit+ficken

(2)    http://de.wikipedia.org/wiki/Linguistische_Versprecher-Theorien

(3)    Goethe, Johann Wolfgang von: Hör-, Schreib- und Druckfehler. In: Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. 41. Bd., 1. Abtheilung. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1902, S. 183-188; Zitat: 184.

(4)     http://de.wikipedia.org/wiki/Freud%E2%80%99scher_Versprecher