Hände

Wir tun immer so, als ob es eine Trennung zwischen Privatleben und Beruf gäbe. In Trainings kommt das Thema nie vor und überhaupt muss alles Emotionale vor der Businesstüre bleiben. Es wird  in Coachings für gewöhnlich auch strikt zwischen Life-Coaching und Executive-Coaching getrennt, doch ist das überhaupt möglich?

Ist es nicht vielmehr so, dass sich diese Lebensbereiche gegenseitig beeinflussen und bedingen, dass unsere Persönlichkeit überall auf dieselbe Art und Weise wirkt? Wenn Sie jetzt vehement verneinen und behaupten, sie seien privat ja gaaanz anders, so schauen Sie doch bitte mal ganz genau hin. Dass wir nicht wirklich „aus unserer Haut“ können, das entdeckte bereits vor fast 100 Jahren A.Adler und sein Schüler R. Dreikurs. Umso erstaunlicher, dass es heute so gut wie nicht mehr thematisiert wird. Wo gehen Führungskräfte folglich hin mit ihren privaten Anliegen? Gehen Sie mit Ihren Eheproblemen zu offiziellen Partnerschaftsberatern? Ich denke, es ist vielmehr so, dass Probleme gerne kleingeredet, ignoriert oder unter den Teppich gekehrt werden. Schweigen und bloß nicht darüber reden.

Doch wie lange geht das gut? Häufig kommen Betroffene erst zur Beratung, wenn es lichterloh brennt: Hier einige Beispiele:

„Können Sie uns bitte helfen. Mein Mann möchte gerne sein Verhalten verstehen, das fast unsere Ehe kostet. Er ist jetzt bereit sich helfen zu lassen, denn er weiß, dass wenn er mich weiterhin bei Schwierigkeiten tot schweigt und mich mit Liebesentzug bestraft, werde ich ihn verlassen.“

Da sitzen Sie nun bei mir in der Praxis. Er, Rentner, der es gewohnt war in seinem Berufsleben keine Götter über sich zu haben, Befehle zu erteilen. Sie, Rentnerin, eine temperamentvolle, emotionale Frau, die Streits nicht als problematisch ansieht, sondern als Möglichkeit, sich wieder anzunähern. Doch er reagiert nicht so, wie sie es erwartet. Er streitet nicht, sondern zieht sich zurück und schweigt.

„Können Sie mir helfen? Vor einigen Monanten hat sich meine Frau von mir getrennt und mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen. Jetzt ist es so schlimm, dass ich Schwierigkeiten in meinem Beruf als Führungskraft bekomme. Wieso? Weshalb auf diese Weise? Was habe ich nur falsch gemacht? Ich komme aus dem Grübeln nicht mehr heraus.“

Sie hätten niemals gestritten und er hat ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Warum sie so plötzlich von ihm wegwill, kann er nicht verstehen. Sie hat ja nie etwas gesagt.

„Ich brauche dringend ihre Unterstützung. Mein Mann, Manager einer großen Firma hat gestern zu mir gesagt, ich sei zu blöd sogar zu entscheiden welche Farbe unsere neue Küche haben soll. Jetzt ist das Maß voll und ich habe mich dazu entschlossen, mich zu trennen, obwohl ich befürchte, dass er mir die Hölle auf Erden machen wird, denn er betrachtet mich seit über 15 Jahren als sein Besitz. Er geht mit mir so um, wie mit seinen Mitarbeitern. Das ist nicht der Mann, den ich im Studium kennen und lieben lernte.“

„Ich bin zu ihm gezogen, mit meinen Kindern, ohne groß nachzudenken. Doch jetzt habe ich das Gefühl, dass ich keinen Platz in seinem Leben bekomme. Jetzt erst lerne ich ihn kennen. Sein Perfektionismus lässt meinen Kindern keinen Raum, permanent wird gemaßregelt, Kritik geübt. Er ist so perfekt eingerichtet, dass von mir kein Möbelstück integriert wird und er tatsächlich hinter mir herwischt, obwohl ich auch ordnungsliebend bin, doch er gibt mir das Gefühl seinen Ansprüchen nie zu genügen. Wenn ich ihn darauf anspreche, dann merke ich, dass er mich überhaupt nicht ernst nimmt. Mich belastet das Ganze so, dass ich nicht mehr richtig arbeiten kann.“

Werte Leser, ich lade Sie ein, ganz diskret auch private Themen anzusprechen, denn wir sind alles nur Menschen und als Mensch sind wir ganz. Wenn uns private Probleme belasten, dann leidet auch die Leistungsfähigkeit im Beruf, wenn wir mit beruflichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, so wirkt sich das häufig auch privat aus.

Meine Erfahrung: Wenn das, was uns Sicherheit gibt, nämlich intakte private Beziehungen, ins Wanken geraten, dann wankt der ganze Mensch, denn dort wo er ganz privat ist, ist er am verletzlichsten.