DSC03966(R)AUSwege

A proos Image und Geschmack

Erst gestern wurde  ich aus einem „Gesundheitsmanagementprojekt“ ausgespuckt, weil ich auf fehlende Kommunikation hingewiesen habe, weil ich auf meine Gesundheit achtete und mich nicht finanziell über den Tisch ziehen ließ, weil ich das Thema Essen und Kochhandwerkskunst sowie die MAHLZeit als Einverleibung von Nahrung und Lebensenergie, das MITeinander ernst nahm. Schlicht: Ich war mit meiner Gesundheitshaltung, meinem beharren auf der Entlohnung anstrengender, kreativer Arbeit, genau im Zentrum des Gesundheitsgeschehens, sozusagen im Herzstück, worum es bei Gesundheit eigentlich gehen sollte, um Wohlsein, guter Geschmack und Balance,  schlichtweg unverdaulich.

Und vor ein paar Monaten: Da wurde ich in ein Unternehmen gebeten (Global Player im Technikbereich) das sehr unter hohen Fehlzeiten und Burnout-Totalausfällen litt. Man wollte Folgendes von mir: An jedem Standort einen Vortrag von 30 Minuten zum Thema Stressbewältigung und Burnout halten, sonst nichts. Ein Verantwortlicher des Betriebsrates, der an diesen Veranstaltungen dabei war und der „Anwesenheitslisten“ führen musste, hat sich zu Beginn der Veranstaltung sofort für die „schlechte Stimmung“ im Raum und den „Boykott“ der Teilnehmer entschuldigt. Die Mitarbeiter fühlten sich verarscht und hätten solche Alibilösungen so satt, vertraute er mich an. Und am Ende der Veranstaltung als er sah, was sogar diese 30 Minunten mit diesen frustrierten Menschen machte,  bat er mich, alles dafür zu tun, dass es mir gelänge mehr zu tun, als diese „Alibilösungen“.  Die Leute wollten jetzt mehr, sie waren bereit! Und was geschah? Das Unternehmen wollte tatsächlich noch etwas: Einen Gesundheitstag im nächsten Jahr. Einen „Beratung“-Stand mit der innerbetrieblichen Krankenkasse, deren Broschüren und ein paar Vorträge, sonst nichts 🙂 Ich lehnte diesen Auftrag ab und sagte dem Gesundheitsmanagement auch weshalb…Aus internen Kreisen weiß ich: Dieses Unternehmen ist heute bereits einen Schritt weiter – näher am Abgrund. Die Besten beginnen zu kündigen, die Ängstlichen fallen aus wegen Krankheit.

Aber Vorsicht. Sollten Sie ebenfalls Anbieter im BGM und BGF sein, stellen Sie sich auf Gegenwind ein. Sie liegen den Zielen der Leistungsgesellschaft mehr als quer im Magen 🙂  Doch wie sage ich mir an diesen Stellen: Lieber ein Gewürz in der Leistungssuppe, als „an ingredient without any taste.“  Lieber für sich und das eigene Wohl Sorge tragen, als sich für jeden Preis an die Leistungsgesellschaft zu verkaufen, auch wenn „Gesundheitsmanagement“ drauf steht.

Mut machen, mutig sein und dem Einzelnen die Hand reichen

Ich begleite viele Menschen, die spüren, dass sie „halb tot und hungrig nach Leben “ in dieser undurchsichtigen Suppe herumschwimmen. Doch sie wissen nicht, wie sie ihre Lebendigkeit wieder finden können und haben häufig auch nicht den Mut  dazu, denn dann werden sie sichtbarer mit ihren Neins, mit ihrer Widerspenstigkeit, mit einem Dislike. Sie werden hörbarer und treten aus der Masse der Stummen heraus. Sie werden spürbarer wahrgenommen, weil die Gewürze nicht aalglatt und rational sind, sondern GANZ, eben auch Körper und Emotion, nicht nur Verstand. Es ist folglich die Balance zu wahren, denn das Gegenteil von Leistungserbringer ist zwar low-performer und das Gegenteil von aalglatt vielleicht Chili, doch das Extrem in beide Richtungen ist je auf seine Weise wieder gefährlich, wie ich meine. Die Menschen wollen in ihr Gleichgwicht finden, in ihr Wohl und dafür gibt es kein allgemeines Rezept.  Gesundheitsmanagement bedeutet für mich – Menschen auf dem je eingenen Lebensweg, ein Stückchen zur Seite zu stehen, bis Sie den Weg in IHR Wohl und Gleichgewicht gefunden haben. Gesunheitsmanagement ist Hilfe zur Selbsthilfe und zwar denjenigen, die WOLLEN, nicht ALLEN, die sollen.

Wir haben genug zu tun, auch wenn man uns sogar im BGM und BGF „vergisst“ oder „vergisst“ unsere Leistung am unteren Ende der Fresskette adäquat zu budgetieren. Die Arbeit mit einzelnen Menschen, egal wo sie sind ist ein Stück „Gesundheitsmanagement“, auch wenn es nicht explizit draufsteht, auf dem, was wir tun.

Doch sich dem Einzelnen zuzuwenden, benötigt Mut sich selbst nicht vom Weg abbringen zu lassen und weiter daran zu arbeiten, dass in den Betrieben Gesundheitsmanagement nicht nur unter Imagegesichtspunkten betrachtet wird und die „kostengünstige Reparatur von Leistungssubjekten“ zum Ziel gemacht wird. Es braucht Geduld mit den Firmen in denen nach einer Schnellschussaktion nicht selten gesagt wird: „Es hat ja doch nix gebracht, wir focussieren nächstes Jahr unsere Themen auf den Bereich Bewegung“. Es benötigt auch Geduld mit den Menschen, die nicht auf Knopfdruck sich und ihr Leben ändern können, Geduld mit den Executives, die noch lange, lange Zeit benötigen, bis sie erkennen, dass Gesundheitsmanagement ohne Beziehungen zwischen Menschen (wie in einem wohlschmeckenden Gericht die Zutaten) nichts bewirken kann, als vielleicht ein wenig Imagesteigerung. Es benötigt Geduld, bis die Entscheidungsträger erkennen, dass Gesundheitsmanagement mit ihrem je eigenen Verhalten, mit ihrer eigenen Haltung, ihrer eigenen Kommunikation und „Präsenz“ zu tun hat und es benötigt Demut aller Beteiligten,  gerade WEIL Gesundheit nicht einfach so herstellbar ist.  Und nicht zuletzt braucht es Geduld mit der Gesellschaft, die wir nicht ändern können, sondern lernen müssen in ihr und mit ihr zu leben, so gut es eben geht, damit Gesundheit zumindest bei den Menschen, mit denen wir zu tun haben, nicht mehr nur als Ware gemanaget wird.

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